Professor Dr. Olivier Graefe
Department für Geowissenschaften der Universität Fribourg
Laut den Vereinten Nationen hatten 2008 in Afrika nur 60 Prozent der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser. Trotz zahlreicher finanzieller Bemühungen im Zusammenhang mit den Millennium Entwicklungszielen hat sich die Situation nur wenig verbessert. Die UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO stellen 2012 gar eine Stagnation bzw. eine Verschlechterung der Situation in einem Drittel der afrikanischen Länder fest. Selbst ein flüchtiger Blick auf die Karte der Wasserversorgung in Afrika zeigt, dass die Wasserversorgung nicht von den natürlicherweise zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängt. In Nord- wie auch in Westafrika weisen benachbarte (und folglich mit physisch-geographisch vergleichbaren Voraussetzungen ausgestattete) Länder sehr unterschiedliche Werte hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser auf. Die Probleme der Wasserversorgung sind ganz offensichtlich nicht ökologisch bedingt, sondern auf politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen.
Diese Faktoren spiegeln sich in Wasserversorgungsnetzwerke wider, die sich nicht auf die Rohrsysteme beschränken, sondern eine Vielzahl von politischen und sozialen Beziehungsverflechtungen beinhalten. In Khartum wie in vielen anderen Städten Afrikas bezieht die Mehrheit der Haushalte ihr Trinkwasser von kleinen Wasserhändlern und von den Nachbarn. Diese besitzen entweder einen Anschluss an das zentrale staatliche Wasserversorgungssystem oder einen Anschluss an eines der vielen lokalen Netzwerke. Der Vortrag wird zum einen darstellen, inwiefern diese sozialen Beziehungen die Wasserversorgung selbst in den peripheren Vierteln der sudanesischen 6 Millionen Metropole sichern. Zum anderen soll gezeigt werden, wie die Wasserversorgung selbst als Basis für soziale und politische Beziehungen auf verschiedenen Ebenen dient. Mit der Perspektive auf die politische Ökologie des Wassers in Khartum soll ein Einblick in die dialektischen Beziehungen zwischen der hydraulischen Materialität und der urbanen Gesellschaft gegeben werden.