Prof. Dr. Anton Escher
Geographisches Institut der Universität Mainz
„Damaskus ist das Paradies des Orients, der Ort, wo graziöse und leuchtende Schönheit sich entfaltet“, schreibt der Mekkapilger Ibn Gubair im Jahr 1184. Auch der Kartograph A. Ortelius, der den ersten modernen Atlas herausgibt, verzeichnet im Jahr 1598 das Paradies als Stadt in Syrien. Die Stadt Damaskus zählt zu den frühesten durchgehend von Menschen bewohnten Orten der Alten Welt. Mit seinen sieben Armen liefert der Fluss Barrada das Wasser, damit in der trocken-heissen Wüstensteppe am Fuss des Berges Qassioun eine paradiesische Oase erblühen kann. Die Funktion als Knotenpunkt des Fernhandels und als Ausgangsort der jährlichen Pilgerkarawane nach Mekka tragen zum Reichtum der Stadt bei. Heute ist vom Glanz vergangener Tage im Zentrum der Arabischen Republik Syrien nur noch wenig zu spüren.
In Syrien etabliert sich ein seit den 1960er Jahren sehr stabiles zentralistisches und autokratisches Staatssystem mit dem Mittelpunkt Damaskus. Damaskus steigt zur administrativen Hauptstadt und zum ökonomischen Anziehungspunkt des jungen Landes auf. Die Folge dieser Ereignisse ist ein dramatischer Anstieg der Wachstumsraten der Stadtbevölkerung von Damaskus. Die Millionengrenze wird im Jahr 1976 überschritten und inzwischen gehen inoffizielle Schätzungen der zuständigen Behörden von nahezu vier Millionen Einwohnern im Ballungsraum Damaskus aus. Die Bewässerungsoase, noch im Jahr 1977 durch ein Bebauungsverbot auf Bewässerungsland geschützt, wird aufgegeben und der städtischen Bebauung geopfert. Industrieansiedlungen, Satelliten- und Gartensiedlungen sowie die ungesetzlichen Siedlungserweiterungen tragen dazu bei, dass sich Damaskus im 21. Jahrhundert als dynamischer ungezähmter metropolitaner Ballungsraum zeigt.
Trotz der stürmischen Entwicklung versucht man das historische Erbe der Stadt zu bewahren. Im Jahr 1979 wird die Altstadt von Damaskus in die Liste des Welterbes der UNESCO aufgenommen. Dennoch erzeugen digitale Globalisierung, politische Isolation, internationaler Tourismus, christliche und muslimische Pilgerscharen sowie permanente Migration deutliche gesellschaftliche Brüche und beachtliche städtebauliche Effekte in der alten Stadt.
Der Vortrag versucht die dynamischen Veränderungen des Ballungsraumes Damaskus und die grundlegenden Transformationen der Altstadt von Damaskus zu beschreiben und die empirischen Phänomene als Ausdruck der gesellschaftlichen Transformation des syrischen Staates zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu deuten.
Anton Escher, Mainz