Prof. Dr. Hermann Kreutzmann
Zentrum für Entwicklungsforschung, Institut für Geogr. Wissenschaften, Freie Universität Berlin
Zwei Generationen sind mittlerweile in einem unabhängigen Pakistan aufgewachsen, das für einen hohen Preis an Opfern, Vertriebenen und Flüchtlingen erstritten wurde. Mit großen Erwartungen wurde Pakistan als Heimstatt der Muslime gegründet. Der frühe Enthusiasmus verflog alsbald ob der Probleme von Großgrundbesitzertum, regelmässig wiederkehrenden Militärdiktaturen und Misswirtschaft. Hoffnungsvolle Zeichen wechselten sich mit neuen Katastrophen ab.
Die Stützung des islamistischen Diktators Zia-ul Haq und die Förderung der Taliban durch den Westen im pakistanischen Aufmarschgebiet der Mujaheddin für den Kampf um die afghanische Herrschaft führte zu der heute allseits abgelehnten und den inneren Frieden destabilisierenden „Kalashnikov-Kultur“. Die Spuren von Kolonialzeit und externen Interventionen prägen die Landesstruktur nachhaltig.
In den heutigen Tagen gibt es fast nur negative Konnotationen. Die internationale Presse charakterisiert Pakistan als „gefährlichstes Land der Welt“. Mit milliardenschweren Unterstützungszahlungen wird gegenwärtig ein Feldzug gegen die sog. pakistanischen Taliban geführt, der in den Stammesgebieten der Nordwestgrenzprovinz Ruhe und Ordnung wieder herstellen soll. Das Ende des Militärdiktators Pervez Musharraf, die Wiedereinsetzung der obersten Richter, allgemeine Wahlen und ein parlamentarischer Prozess sowie massive internationale Struktur- und Aufbauhilfe deuten eine Konsolidierung an, die krisenbehaftet ist, aber keine Alternative kennt. Das bevölkerungsreiche Land - zwischen Afghanistan, Iran, China und Indien gelegen und in vielfältige bilaterale Konflikte eingebettet - spielt eine wichtige weltpolitische Rolle.
Der Vortrag arbeitete einige Hindernisse, Konfliktlinien und Chancen für Pakistan heraus, bettete sie in den weltpolitischen Kontext ein und hinterfragte sowie interne politische Verwerfungen und Machtkonstellationen. Darüber hinaus wurden das ökologische und ökonomische Potential Pakistans und sein kulturhistorisches Erbe vorgestellt. Das Zusammenspiel all dieser Faktoren wirft die Frage auf, ob die Kohäsionskräfte stark genug sind, die Zerreißprobe für das Gemeinwesen zu überstehen.
Die Dominanz der gravierenden Probleme, mit denen das Land behaftet ist, verstellt manchmal den Blick auf alles weitere, was eine Kultur und Gesellschaft ausmacht. Pakistan bietet gleichzeitig interessantes Anschauungsmaterial für ein wasser- und ressourcenreiches faszinierendes und kulturhistorisch in den Indus- und Gandharakulturen verankertes Land in Südasien, das weitgehend unbekannt ist und sich bislang trotz aller Fliehkräfte als Einheit behaupten konnte.