Dr. Gregor Klaus
Geograph und Wirtschaftsjournalist
Bei einer Fahrt von Basel nach St. Gallen hat man den Eindruck, die Schweiz bestehe vor allem aus «Nicht-Orten»: Monotones Agrarland, Fichtenplantagen, Strassenkreuzungen, Verkehrskreisel, Gewerbegebiete, Lagerhallen, Baumärkte, Konsumtempel, Möbelläden, Asphalt, Beton. Der Journalist Jörg Albrecht schrieb einmal treffend: «Keiner sieht hin. Niemand ist zuhause.» Alles ist wie vom Reissbrett oder aus dem Musterkatalog. Es sind kaum noch regionale Unterschiede auszumachen.
Der Vortrag dokumentiert mit vielen Bildern die Entwicklung der Schweizer Landschaft während der letzten zwei Jahrhunderte. Der Charakter der traditionellen Kulturlandschaft in unserem mitteleuropäischen Raum entstand durch menschliche Nutzungen, wobei das Schöne und Wirtschaftliche meistens nicht im Widerspruch zueinander standen, sondern sich gegenseitig ergänzten. Jedes Landschaftselement, jeder Flurname erzählte eine eigene und spannende Geschichte, die der Mensch jederzeit abrufen konnte. Die Landschaft hat damit ein echtes Gedächtnis. Doch das Langzeitgedächtnis der Landschaft droht zu erlöschen. Mittlerweile sind fast alle Kulturgrenzen in der Landschaft bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Die meisten Landschaftselemente wurden beseitigt. Nachdem man im letzten halben Jahrhundert die Landschaft mehr oder weniger nur als ökonomisches Potenzial betrachtet hat, wird die Abwesenheit einer «geistigen Dimension» spürbar.
Wir müssen wieder lernen, Landschaften zu lesen, Strukturen zu erkennen. Wir müssen ein Gefühl für die Wohnlichkeit der Landschaft bekommen. Die totale Auswechslung der Landschaft ist keine Zukunftsperspektive, sondern ein Armutszeugnis. Für die meisten Sektoren und Akteure wird gezeigt, wie ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Landschaft aussehen sollte.