Donnerstag, 15. März 2012 - 18:15 Uhr

Geschichte der Vegetation – 7000 Jahre menschenbestimmt!

Geschichte der Vegetation – 7000 Jahre menschenbestimmt!

Prof. Dr. Stefanie Jacomet
Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie, Universität Basel

Die produzierende Wirtschaftsweise mit Ackerbau und Viehzucht erreichte Mitteleuropa vor rund 7500 Jahren. Diese Art der Lebensweise wurde unter anderem im Gebiet des sog. „fruchtbaren Halbmondes“ erfunden, wo um 10'500 Jahren vor heute die ersten Pflanzen und Tiere domestiziert wurden, die dann nach und nach auch nach Mitteleuropa gelangten (u.a. Rind, Schaf, Ziege, Schwein und verschiedene Formen des Weizens, Gerste, Erbse, Lein).

Mit der bäuerlichen Wirtschaftsweise begann in Mitteleuropa die Umformung einer unterhalb der Waldgrenze weitgehend bewaldeten Landschaft in eine Kulturlandschaft. Die Erforschung ihrer frühen Geschichte erfolgt durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von ArchäologInnen und BiologInnen. Zum einen liefern Pollendiagramme aus Mooren ausserhalb von Fundstellen („offsite“) Hinweise auf Landschaftsveränderungen, die durch Mensch und Vieh erfolgt sind. Zum anderen geben uns Pflanzenfunde von archäologischen Ausgrabungen („on-site“) sehr direkte Hinweise auf die Art der Nutzung der Landschaft und ihr mögliches Aussehen.

Der Vortrag befasst sich vor allem mit den Ergebnissen der letzteren Disziplin, der Archäobotanik. Im Fokus steht dabei die Basler Region, die als Modellfall für Mitteleuropa gelten kann. Ergänzt werden diese Ergebnisse durch zahlreiche Untersuchungen von sog. Pfahlbausiedlungen des Mittellandes. Die Basler Archäobotanik-Forschungsgruppe hat solche Forschungen in den letzten 30 Jahren in grosser Zahl durchgeführt. Damit kann die Geschichte der Kulturlandschaft recht gut nachgezeichnet werden.

Die frühesten bäuerlichen Siedlungen der Schweiz liegen an ihrem Nordrand (so unter anderem auf dem Basler Bruderholz) sowie den inneren Alpentälern (Wallis und Churer Rheintal). Sie datieren auf vor/um 5000 v. Chr. Pfahlbausiedlungen gibt es seit rund 4300 v. Chr. Deren Erforschung brachte wegen der
exzellenten Erhaltungsbedingungen für organisches Material unglaublich reiche Kenntnisse über die Versorgung mit sich. Es gab bereits verschiedene Formen der Waldwirtschaft, es wurden mehrere Kulturpflanzenarten angebaut und Haustiere gehalten. Der Ackerbau war noch kleinflächig, Sammelwirtschaft und Jagd spielten eine grosse Rolle. Die Haustiere liess man vor allem im Wald weiden. Mit Beginn der Bronzezeit, insbesondere der mittleren Bronzezeit ab 1550 v. Chr., treten neue Einflüsse auf, die vor allem in die Richtung des östlichen Mittelmeerraumes und nach Zentral- und Ostasien deuten. Neue Kulturpflanzen tauchen auf, so ursprünglich aus China stammende Hirsearten, und auch neue Wildpflanzen erreichen unser Gebiet. Der Ackerbau wird spätestens ab etwa der Mitte des 2. Jt. v. Chr. auf grösseren Feldern betrieben – und ab der späten Bronzezeit, um 1000 v. Chr., wird
erstmals eine „traditionelle“ Kulturlandschaft sichtbar, in der auch Wiesen eine Rolle spielen. Grosse Änderungen bringt die Römerzeit. Hier wird der Gartenbau endgültig etabliert und viele neue Kulturpflanzen, vor allem Obstgehölze, treten in Erscheinung. Die massiven Einflüsse aus dem Mittelmeerraum sieht man auch bei den Wildpflanzenspektren. Die maximale Diversität der Flora wird im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erreicht.


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