Prof. Dr. Christian Berndt
Universität Zürich
Zu Beginn der 2000er Jahre setzte ein weltweiter Rohstoffboom ein, der neben den sogenannten hard commodities (extraktive Rohstoffe wie Erdöl, Kohle oder Metalle) auch landwirtschaftliche Produkte betrifft und bis in die jüngere Vergangenheit anhielt. Bei diesen soft commodities spielt Soja eine besondere Rolle. Angetrieben wird der Aufstieg der Sojabohne zu einem globalen Rohstoff von steigenden Preisen, die einerseits mit dem weltweit wachsenden Fleischkonsum (u.a. China) sowie der politischen Förderung von Biokraftstoffen verbunden sind. Andererseits betrachten institutionelle Finanzmarktakteure den Agrarsektor zunehmend als lukratives Anlagefeld und geben der Preisentwicklung dadurch eine zusätzliche Dynamik.
Als klassischer Agrarexporteur hat Argentinien einen grossen Anteil an dieser Entwicklung und sich innerhalb der letzten 20 Jahre auf dem Weltmarkt nach den USA und Brasilien als drittgrösster Exporteur von Soja etabliert. Bei Derivaten wie Sojaöl und - mehl ist das südamerikanische Land sogar weltweit Marktführer. Soja hat in diesem Zusammenhang in Bezug auf Anbaufläche und Produktionsmenge eine überragende Bedeutung in der argentinischen Landwirtschaft erhalten und andere Nutzungen (z.B. Weizen, Viehwirtschaft) verdrängt. So tief greifend sind die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Folgen des Sojabooms, dass im Land von sojización (Sojafizierung) gesprochen wird.
Der Vortrag geht der Frage nach, welche einzelnen Entwicklungen die sojización Argentiniens möglich machen und wie die Sojaexpansion genau vollzogen wird. Die Veränderungen werden dabei als ein marktgetriebener Kommodifizierungsprozess konzeptionalisiert, bei dem einheimische und transnationale Unternehmen, globale Finanzmarktakteure und der argentinische Staat ein widersprüchliches Produktionsmodell ermöglichen. Merkmale des modelo sojero sind die besondere Form der Produktionsorganisation, die Anwendung neuester bio- und kommunikationstechnologischer Erkenntnisse (u.a. Gentechnik) und eine Inwertsetzung von Natur und Mensch, die mit einer umfassenden Transformation dieser "Produktionsfaktoren" und tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen verbunden ist.