Prof. Dr. rer. nat. Helmut Brückner
Gepgraphisches Institut, Universität zu Köln
Die Geoarchäologie ist eine junge Wissenschaft. Sie ist per definitionen interdisziplinär ausgerichtet, vereinigt sie doch geographische und geowissenschaftliche Inhalte auf der einen Seite mit archäologischen und historischen auf der anderen Seite. Gerade Mittelmeer- und Schwarzmeerraum eignen sich für derartige Studien, weil sie seit vielen Jahrtausenden kontinuierlich vom Menschen besiedelt sind. Und weil das mediterrane Ökosystem in vieler Hinsicht labil ist, hatte der Eingriff des Menschen in den Naturhaushalt sehr schnell große Auswirkungen. Das zeigt sich an verschiedenen Formen der Bodenerosion und –degradation einerseits sowie der gleichzeitigen Bildung mächtiger Auensedimente und dem starken Vorbau der Deltas andererseits. Dadurch verschoben sich viele Küsten massiv – und das Land musste immer wieder neu vermessen werden.
Der Vortrag beleuchtet diesen raumzeitlichen Landschaftswandel exemplarisch. Wegen der hohen Grundwasserstände im Bereich der Küstenebenen sind Bohrungen das Mittel der Wahl. Die Bohrkerne geben anhand ihrer sedimentologischen und geochemischen Charakteristika sowie der in ihnen enthaltenen Flora und Fauna Aufschluss über die jeweiligen Umweltbedingungen, unter denen die Sedimente abgelagert worden waren: im Meer, in einer Lagune, am Strand oder in der Flussaue. Die Synopse führt zur Erstellung paläogeographischer Szenarien, anhand derer die Landschaftsentwicklung nachvollzogen werden kann.
Ein Beispiel ist die das Schwarze vom Asowschen Meer trennende Taman-Halbinsel, auf der sich in altgriechischer Zeit etliche von der Mutterstadt Milet gegründete Kolonien befanden. Hier gelang die Rekonstruktion der mehrphasigen Entwicklung der Halbinsel aus einem ehemaligen Archipel. Dies führte zu einem besseren Verständnis der von dem antiken Geographen Strabon (1. Jh. n. Chr.) überlieferten Landschaftsbeschreibung. Ein weiteres Beispiel ist die durch Homers Epos Ilias berühmt gewordene und von Heinrich Schliemann wiederentdeckte Stadt Troia. Auch sie war einst eine Hafenstadt, wurde dann aber durch den Vorbau der Deltas von Skamander und Simois immer weiter vom Meer getrennt. Das dritte Beispiel ist Ephesus, die berühmte Hauptstadt der römischen Provinz Asia. Die diversen Geo- und Bioarchive zeigen deutlich den Einfluss des Menschen in den letzten Jahrtausenden sowie den letztendlich vergeblichen Kampf der Stadt gegen die Verlandung. Unsere Forschungen zur Paläogeographie führten auch zu einem besseren Verständnis der Gründungslegende des Artemisions, des berühmten Tempels der Artemis, eines der Sieben Weltwunder der Antike.